Steter Wandel ist ein Zeichen des Lebendigen. Wenn dieses Sprichwort stimmt, ist die Gossauer Gastroszene äusserst lebendig. Früher war es einfach: Zum Stammtischtreffen ging man je nach sozialem Umfeld und/oder bevorzugter Serviertochter in den Ochsen, die Sonne, den Steinbock, den Frohsinn, den Quellenhof, die Sternenbar, ins Bädli, ins Toggi, ins Wiesental, ins Gemsli, ins Rössli, ins Schäfli am Andwilerkreisel, in den Lindenhof oder in den Freihof. Ausserhalb des Stadtgebietes waren die Traube auf der Muelt, die Henessenmühle oder das Schloss Oberberg beliebte Treffpunkte. Die Auswahl an Beizen war gross, die Zugehörigkeit zur einen oder anderen Beizen-Klicke gegeben. Man fühlte sich in seinem sozialen Umfeld wohl. Dann setzte - zuerst langsam, dann immer schneller - in den 90er Jahren das grosse Gossauer Beizensterben ein. Zuerst ging die Zeit der Quartierbeizen zu Ende: Gemsli, Frohsinn, Wiesental, Lindenhof, Bad Friedensberg, Rössli und Steinbock schlossen ihre Türen, ohne dass Ersatz geschaffen wurde. Dann begann auch die mehrbessere Gastro-Szene zu bröckeln. So verabschiedeten sich mit den Brunners und den Ellensohns zwei altgediente Wirtepaar ins Pensionsalter, womit die Zeit der grossen Gossauer Speiselokale zu Ende ging. Zurück blieben einige unverwüstliche Lokale wie die Moosburg, das Restaurant Egli, die Traube im Niederdorf und das Alte Pfluegli sowie die bestens etablierten Pizzerien Pergola und Dolce Vita (Ex-Mario). Auf der anderen Seite öffneten neue Lokale. Allen voran das Pickwick-Pub, das Butterbarcafé, das China-Restaurant Shanghai und schliesslich auch das Werk 1 und der neuerbaute Freihof im Freistaat Niederdorf. Und schliesslich beugten sich auch die Gossauerinnen und Gossauer dem Diktat aus dem Osten: Der Döner Kebab eroberte die Fürstenländer Metropole.
Doch dann kam der Corona-Schock. Das Virus stürzte die Gossauer Gastronomie in eine noch nie erlebte Krise. Aber diese zeigte sich erfinderisch und auch widerstandsfähig. Mit grossem Einsatz, staatlicher Unterstützung und dank der Treue der Stammgäste überlebten die meisten Gastrobetriebe. Und jetzt beobachten wir eine erneute Erneuerungs-Welle. Zwar haben in den letzten Monaten der Hirschen und das Donatello (Alter Bahnhof) aus unterschiedlichen Gründen die Türen geschlossen, auf der anderen Seite regen sich aber hier und dort zarte Gastro-Pflänzchen. So geniessen wir seit bald zwei Jahren die Qualitäten des «neuen» Quellenhofs, erlebt das heruntergewirtschaftete Landhaus aktuell als Arena & Steakhouse sowie als Hotel Stadthaus (!) eine Renaissance, versucht das Stadtrestaurant Sonne mit neuer Pächterin die Rückkehr zu alter Stärke und startet das Schloss Oberberg mit einer jungen Equipe durch. Dazu kommt als neuste Entwicklung der Café-Boom. So haben nach dem Koller’s im Perron 3 und dem Café von Beck Künzle in aller Stille an der Bahnhofstrasse 18 das Chai & More und an der Ringstrasse das kapricho ihre Türen geöffnet. Und erst letzte Woche hat Bernies Rutishauser an der Winkelstrasse mit dem Café Zitlos einen neuen Treffpunkt lanciert. Schliesslich hat der geneigte Baubewilligungs-Leser ein weiteres Café-Projekt entdeckt: Im ehemaligen Antiquitäten-Geschäft Wüest entsteht an der St.Gallerstrasse 51, versteckt hinter farbigem Papier, aktuell das Café Antico. Es bleibt die Erkenntnis: Die Gossauer Gastroszene lebt – ausser am Montag, denn dann bleiben (fast) alle Gossauer Beizentüren geschlossen…
Ein etwas abgekühltes Wochenende wünscht Ihnen
Ihr Drago