Die Idee ist einleuchtend: Das ÖV-Angebot attraktiver gestalten und damit mittelfristig den Innerortsverkehr verringern. Die Projekte für eine Buslinie 150 vom Bahnhof zum Eichen sowie die Verlängerung der Buslinie 151 ins Langfeld und halbstündlich nach Arnegg und Andwil verdienen deshalb auch unsere Unterstützung. Damit erhält das Gossauer Busnetz eine willkommene Erweiterung und Verdichtung nach Westen – dort wo immer mehr die gewerbliche und industrielle Gossauer Musik spielt.
Doch «gut gemeint» ist nicht immer auch «gut gemacht». Die Absicht, die Linie des 151ers via Hirschenstrasse zum Bahnhof abzukürzen und damit die Haltestellen Gerbhof, Herisauerstrasse und Poststrasse auszulassen, ist nicht wirklich zu Ende gedacht. Nur auf die Anschlusspünktlichkeit an die ICE- und IC-Züge zu schielen, reicht nicht als Argument. Der Gossauer Verkehrsalltag lehrt einen anderes. Die Linie 151 der Regiobus AG ist in erster Linie eine Verbindung Ost-West und erst in zweiter Linie ein Zubringer zum Bahnhof. Zudem ist der Bus Teil des innerstädtischen Verkehrs. Ihn auf einigen Metern von der Hauptschlagader St.Gallerstrasse weg zu nehmen, bringt nicht sehr viel – schon gar keine Entlastung des Zentrums. Im Gegenteil, die neue Linienführung dürfte zu weiteren Behinderungen beitragen. Bei meinen regelmässigen Flügen übers Stadtzentrum bemerke ich jetzt schon häufig, wie Fahrzeug-Lenker, die von der Hirschenstrasse in die St.Gallerstrasse einlenken wollen, zurücksetzen müssen, weil ein Lastwagen oder eben der 159er Bus in die Hirschenstrasse abbiegen will. Mit der geplanten Linienführung würde diese Konflikt-Situation im 10-Minuten-Takt akut. Und folge ich in der Luft dem 151er Bus von Osten nach Westen oder umgekehrt, so erkenne ich Augen-sichtlich, welches die am meisten frequentierten Haltestellen sind: Mettendorf, Migros und Gerbhof. Wenn ich noch etwas genauer hinschaue, sehe ich auch, woher die Bus-Passagiere kommen - und wo sie aussteigen: Die Migros-Kunden bei der Migros und die Coop-Kunden beim Gerbhof. Eben dort, wo sie einkaufen und von wo sie wieder zurück nach Hause fahren. Was wird die Coop-Regionaldirektion wohl zur Bevorzugung der Migros-Haltestelle und der Reduktion «ihrer» Gerbhof-Frequenz meinen? Und wo bitte, finden die Bewohnerinnen und Bewohner des Rosenauquartiers den Anschluss ans ÖV-Netz? Einen eigenen Quartierbus erhalten sie ja nicht, weil sie gemäss offizieller Einschätzung «die 300 Meter bis zum Gerbhof noch zu Fuss» zurücklegen können. Was aber, wenn es die Haltestelle Gerbhof nur noch zu 20 Prozent geben sollte?
Gott-sei-Dank ist die Umsetzung der beiden Projekte an die Zustimmung des Stadtparlamentes gekoppelt. In den nächsten Tagen wird eine vorberatende Kommission unter Leitung von SVP-Mann Frank Albrecht über «Projekt und Antrag Buskonzept 2026» beraten. Die siebenköpfige Kommission besteht zwar nur aus Männern. Dennoch ist zu hoffen, dass die Herren Albrecht, Kessler, Künzle, Pfister, Bischofberger, Loser und Schlegel soweit mit dem Gossauer Verkehrsalltag vertraut sind, dass sie die Bedeutung der Haltestelle Gerbhof – in beide Richtungen – für den ÖV im Stadtzentrum erkennen und entsprechend korrigierend Einfluss nehmen.
Ein spannendes, direkt-demokratisches Landsgemeinde-Wochenende wünscht Ihnen
Ihr Drago
"Super, aber nicht so…"

Kolumne auf Gossau24.
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jg
"Drache-Füür" vom 26. April 2024.