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Gast-Kommentar
Drache-Füür
23.08.2024

"Christo in Gossau"

Kolumne auf Gossau24. Bild: jg
"Drache-Füür" vom 23. August 2024.

Der Bulgare Christo Wladimirow Jawaschew und seine Frau Jeanne-Claude Denat haben mit ihren Verpackungs-Aktionen während Jahrzehnten die Welt zum Staunen gebracht. Christo und Jeanne-Claude haben alles Mögliche und Unmögliche verpackt und damit Kunst geschaffen. Waren es zuerst Dosen, Flachen, Stühle oder ein Auto, wandten sie sich bald grösseren Objekten zu. So verpackten sie ganze Ladenfronten, schufen ein 1200 Kubikmeter umfassendes Luftpaket oder verhüllten mit 93'000 Quadratmeter Gewebe und 56 Kilometer Seil in Australien einen ganzen Küstenstreifen. Schliesslich trennten sie in den Rocky Mountains im US-Staat Colorado mit einem 400 Meter breiten und 111 Meter hohen Vorhang ein Tal in zwei Teile. Ihr nächstes Projekt war der Running Fence, ein 5,5 Meter hoher und 39,5 Kilometer langer Zaun durch die kalifornische Landschaft. Später begannen Christo und Jeanne-Claude auch in Europa «Dinge» zu verpacken. So etwa den Deutschen Reichstag in Berlin oder den Pont Neuf in Paris. Auch vor der Schweiz machten die beiden Künstler nicht Halt. So verhüllten sie 1998 im Berower Park der Fondation Beyeler in Basel 178 Bäume mit 55'000 Quadratmeter silber-grauem Polyester-Gewebe. Im Jahr 2009 starb Jeanne-Claude und Christo zog sich aus dem Künstler-Alltag zurück. Erst im Jahr 2016 trat er ein letztes Mal an die Öffentlichkeit. Er plante und baute die «Floating Piers», einen drei Kilometer langen, dahliengelben Steg aus 200'000 schwimmenden Polyethylenelementen über den Lago d’Iseo zu den zwei Inseln Monte Isola und Isola di San Paolo. 
Im Jahr 2020 starb Christo Wladimirow Jawaschew. Aber nicht, ohne der Stadt Gossau ein Erbe zu hinterlassen. Der Bulgare hatte zeitlebens ein Faible für Metzgereien und für Kalbsbratwürste gehabt. Und so hatte er in seinem Testament verfügt, dass die für ihre Bratwürste weltbekannte Gossauer Metzgerei Grüebler – wenn sie denn dereinst eine bauliche Vergrösserung erleben sollte – nach Christo-Art verpackt werden sollte. Und so geschah es im Jahr 2023, dass der Neubau für die Metzgerei Grüebler im Zentrum von Gossau von unbekannter Künstlerhand mit einem Baugerüst und den dazugehörigen Blachen verhüllt wurde. Und weil gerade das 1200-Jahr-Gossau-Jubiläumsjahr bevorstand und weil man ein Christo-Kunstwerk schon ein wenig länger stehen lassen darf, blieb die Grüeblerei, wie sie seit dem Umzug ins neue Ladenlokal heisst, über viele Monate hin verpackt – und bleibt es wahrscheinlich noch bis nach dem Weihnachtslauf. Und so dürfen wir uns während des gesamten Jubiläumsjahres an einem Christo-mässig künstlerisch aufgemotzten Stadtzentrum erfreuen. Wenn sich da Christo nur nicht im Grab umdreht.
Ein erholsames Wochenende wünscht Ihnen
Ihr Drago

Wehe, wenn er Feuer speit! In seiner Kolumne "Drache-Füür" kommentiert Drago auf Gossau24 jeden Freitag das Geschehen in Gossau - vor und hinter den Kulissen.

Drago