Im ersten Teil haben wir erfahren, wie Johann Konrad Stöckeler 1914 für Österreich in den Ersten Weltkrieg gezogen war und in Polen in russische Kriegsgefangenschaft geriet. In diesem zweiten und letzten Teil erfahren wir, wie der Engelburger fliehen und wieder nach Gaiserwald zurückkehren konnte.
Anfangs Mai 1915 erhielt seine Frau folgende, am 4. April 1915 in Kiew geschriebene «Feldpostkorrespondenzkarte»:
Liebe Rosa samt Familie!
Berichte Dir in Kürze, dass ich auf der Fahrt nach Russland bin; wohin wir kommen, weiss ich nicht. Die ganze Besatzung von Przemysl ist übergeben worden und geht alles nach hinten. Also bis der Krieg fertig ist, muss alles da bleiben. Adresse hab’ ich keine.
Nebst vielen Grüssen an Euch alle von Deinem treuen Konrad.
Nebst dem Poststempel von Engelburg vom 4. Mai 1915 und einem nicht mehr lesbaren weiteren Poststempel sind auf der Karte die Hinweise aufgedruckt: «Correspond. des prisonniers de guerre» und «Auf einer Postkarte antworten» sowie ein Zensurstempel (durchgesehen) in russischer Sprache.
Wo Konrad Stöckeler gefangen war, erfahren wir aus Postkarten, welche die Eheleute einander schicken konnten. (Es soll, nach Auskunft von Konrad Stöckelers Sohn, eine ganze Anzahl vorhanden gewesen sein, die er jedoch nach und nach, weil der mit Bleistift geschriebene Text nicht mehr lesbar gewesen sei, weggeworfen habe.)
Am 21. Oktober 1916 schrieb Rosa Stöckeler an «Herrn Johann Konrad Stöckeler, Kriegsgefangener Zugführer, Dergachi, Gouvernement Samara, Ost-Russland»:
Lieber Konrad,
Soeben mit grosser Freude deine Karte erhalten vom 7.9. Hat uns sehr gefreut, dass Du immer gesund bist, was bei uns auch der Fall ist. Auch im Stall ist alles gesund. Wir haben heute schon Schnee wie mitten im Winter, also am 20. Oktober.
Kannst Du jetzt mit Bruder Theodor auch brieflich verkehren? So wie mit der Mutter, denn ich erhalte nicht einmal Antwort.
Wann hast Du das letzte Schreiben von mir erhalten, da ich Dir doch öfters schreibe. Hoffe, dass wir einander bald wieder sehen werden.
Ich wäre nicht mehr hier, wenn ich gewusst, dass ich so lange mit fremden Leuten mich ärgern müsste.
In der Hoffnung, dieses Schreiben werde Dich in guter Gesundheit antreffen, grüsst Dich Deine Rosa und Kinder.
Brief folgt.