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Flawil
23.03.2021

Laufend hohe Überschüsse lassen zweifeln

Flawiler Jahresrechnung 2020: Erneuter Überschuss von 4.57 Mio. Franken. Schön, aber wieso?

Statt mit einem budgetierten Defizit von 172‘000 Franken schliesst die Rechnung der Gemeinde Flawil für das vergangene Jahr mit einem stattlichen Gewinn von rund CHF 4,5 Millionen ab. Diese grundsätzlich erfreuliche Nachricht reiht sich nahtlos an die Abschlüsse der Vorjahre an: Immer waren die Ergebnisse weit besser als budgetiert. Kumuliert erzielte die Gemeinde in den Jahren 2016 bis 2020 Rechnungsüberschüsse von sage und schreibe 19,5 Millionen Franken! Wer sich im Budgetprozess fünf Mal hintereinander derart „verkalkuliert“, läuft Gefahr, die sachpolitische Glaubwürdigkeit zu verspielen. Das wäre unschön, gerade, weil der Gemeinderat die Ausgabenseite gut im Griff hat.

Woher kommt es, dass die Budgetabweichungen so hoch und praktisch immer positiv sind? Die Antwort lautet kurz und prägnant: Unzulänglichkeiten bei der Budgeterstellung, Fehler im System - insbesondere folgende:

  1. Ein Budget besteht aus einer Vielzahl von Annahmen (z.B. Teuerung, Wirtschaftsentwicklung, Zahl der Sozialhilfebezüger etc.). Mit anderen Worten: Ein Budget ist so gut (und damit so richtig) wie die darin getroffenen Annahmen. Bei der öffentlichen Hand werden nun aber für diese Annahmen durchwegs die vorsichtigsten Einzel-Prognosen verwendet. In Tat und Wahrheit entwickeln sich normalerweise aber nicht alle Voraussagen durchwegs nach dem pessimistischsten Szenario. Die Folge: Das effektive Resultat  ist mit grösster Wahrscheinlichkeit besser als budgetiert.

  2. Im Budget werden alle theoretisch möglichen Investitionen (und damit deren Kapitalkosten) aufgeführt. Man will sich durch die Genehmigung des Budgets die Kompetenz einholen, handeln zu können, falls es sich aus den exogenen Umständen ergibt. Aus praktischen Gründen durchaus verständlich – nur: In Tat und Wahrheit können im Normalfall nicht alle budgetierten Investitionen realisiert werden. Vielmehr ergibt sich ein „Überhang“, der auf das Folgejahr übertragen wird. Die Folge: Die Kapitalkosten und damit die Ausgaben fallen im Rechnungsjahr tiefer aus - das effektive Resultat ist mit grösster Wahrscheinlichkeit besser als budgetiert.

  3. Ausgangspunkt für die Budgetierung (insbesondere auch was die Steuereinnahmen betrifft) sind die Budgetzahlen des Vorjahres. Dies im Gegensatz zum Bund, wo konsequent die hochgerechneten Ergebnisse des laufenden Jahres als Grundlage dienen. Diese Diskrepanz ist umso unverständlicher, als der Souverän in Flawil erst Ende November das Budget für das Folgejahr genehmigt – also in einem Zeitpunkt, in dem die Entwicklung des laufenden Rechnungsjahres bereits zu elf Zwölftel bekannt ist. Weil nun aber die effektiven Rechnungsergebnisse (und dabei insbesondere die Steuereinnahmen) fast immer besser als budgetiert sind, werden bereits im Budgetprozess „veraltete“ und damit meistens zu pessimistische Grundlagen verwendet. Oder anders ausgedrückt: Das Budget ist bereits bei dessen Erstellung mit grösster Wahrscheinlichkeit „systembedingt“ falsch.

Übrigens: Wäre dem nicht so, dann hätte dem Souverän anlässlich der Bürgerversammlung vom vergangenen November ehrlich und offen kommuniziert werden müssen, dass die Steuereinnahmen im laufenden Jahr einmal mehr um Welten besser als geplant ausfallen. Dann wären aber auch gleichzeitig die sachlichen Voraussetzungen zur Bekämpfung des eingereichten Antrages, den Steuerfuss um moderate fünf Steuerprozente zu senken, nicht gegeben gewesen. Alles andere wäre dann völlig intransparent gewesen – wäre einem Affront gegenüber der Bürgerschaft gleichgekommen.

In der Zeitspanne „2016-2020“ hat die Gemeinde aufgrund dieser Effekte insgesamt über 16 Millionen Franken mehr Steuereinnahmen als budgetiert eingenommen – Geld, das für die Aufgabenerfüllung nicht benötigt worden wäre! Rein theoretisch hätte der Steuerfuss in Flawil in den letzten fünf Jahren um sage und schreibe jährlich 20 Steuerprozente tiefer angesetzt werden können und die Gemeinde hätte trotzdem all ihre geplanten Ausgaben ohne jegliche Abstriche erfüllen können. Dass bei dieser Ausgangslage nicht bereits längst korrigierend eingegriffen wurde, ist stossend – um nicht zu sagen unfair. Erschwerend kommt hinzu, dass es sich bei dieser unnötigen Geldabschöpfung nicht um eine einmalige „Panne“ handelt, sondern vielmehr um Wiederholungsfälle (seit 2016 jährlich wiederkehrend). Es bleibt zu hoffen, dass die Verantwortlichen aus diesen Entwicklungen die erforderlichen Lehren ziehen und sich somit an der Realität orientieren. Die Nagelprobe kommt im November, wenn über das Budget 2022 und die daraus abgeleiteten Steueranträge abgestimmt wird. Die FDP wird wachsam sein und „am Ball“ bleiben.

FDP Flawil