«Weil auch diesen Sommer europaweit Hitzerekorde und immer längere Hitzeperioden Realität sind und auch für die Alpennordseite zukünftig mit nie dagewesenen Temperaturen von über 40 Grad gerechnet werden muss, entschied sich die SP Gossau, dieses Jahr den Stadtspaziergang dem Thema Stadtklima zu widmen.» Mit diesen Worten begrüsste SP-Ortspräsident Ruedi Blumer beim Bahnhof Gossau die Gästeschar. Speziell begrüsst wurde Stadtrat Florin Scherrer. Anschliessend übergab Blumer das Wort drei Fachpersonen, welche mit der städtebaulichen Situation von Gossau bestens vertraut sind: Christian Hänni, Landschaftsarchitekt, René Häfeli, Stadtplaner und Clemens Lüthi, Architekt und ehemaliger Stadtentwickler.
Die Begegnungszone am Bahnhof mit ihren Teerbelägen, die bei starker Sonneneinstrahlung über 50-60 Grad heiss werden können und den Boden derart versiegeln, dass er keine Feuchtigkeit aufnehmen kann, war das erste Beispiel, das verdeutlichte, wie sich eine Stadt im Sommer aufheizen kann. René Häfeli verwies auf die geplante Sanierung der Bahnhofstrasse. Sie soll mit Grünstreifen, Versickerungsflächen aus Kies und Schotter sowie zusätzlichen Bäumen das Stadtklima positiv beeinflussen. Gleichzeitig wird damit die Artenvielfalt gefördert und bei starkem Regen Wasser zurückgehalten. Anhand von Temperaturmessungen vor Ort zeigte Christian Hänni den interessierten Zuhörer:innen auf, dass sich Wiesen, Sträucher und Bäume bei Sonnenbestrahlung viel weniger aufheizen als Fassaden und Strassenbeläge. Dunkle Gebäudefassaden und Asphalt können bis zu 60 Grad heiss abstrahlen. Eindrücklich war der Messvergleich zwischen der weissen Rathausfassade und der schwarzen Fassade des Fürstenlandsaals. Der dunkle Saal strahlte 15 Grad mehr Wärme ab.
Die Hitze aus der Stadt verbannen

Andreaspark und Bibelgarten sind Vorzeigebeispiele
Clemens Lüthi verwies auf dem Spaziergang auf die grünen Oasen im Stadtzentrum, welche wohltuende Rückzugsorte an Hitzetagen sind und das Klima in der Umgebung positiv beeinflussen. Viel Lob erhielten der Andreaspark, der Bibelgarten, der gut beschattete Weg entlang des Dorfbachs und die riesige Grünfläche der Mooswies, welche in Stadtbesitz ist und in der Grundwasserschutzzone liegt. Die Mooswies birgt fürs Stadtklima viel ungenutztes Potential. «Die Wiesenfläche ergäbe einen idealen Stadtpark mit Hochstämmen, Magerwiesen, Spazierwegen, vielleicht sogar mit einem Weiher, denn Grundwasser ist hier reichlich vorhanden», hielt Lüthi fest.
Christian Hänni lobte die Umgebungsgestaltung im Happyareal: «Kieswege, Buschwerk, Bäume und eine Vielfalt von Blumen reduzieren nicht nur die Hitze, sie fördern auch die Artenvielfalt.» Eine noch zu wenig genutzte Möglichkeit Häuser und ihre Umgebung zu kühlen, ist laut Hänni die Fassadenbegrünung. Die Bepflanzung kühlt durch Wasserverdunstung und Schatten. Die Fassade heizt sich weniger auf und strahlt dadurch weniger Wärme ab. Auf dem Rundgang fand sich nur ein passendes Beispiel: Das Krähenmannhaus an der Bahnhofstrasse, gleich neben dem Rathaus. Ausgeprägten Begrünungsbedarf gibt es beim Meierschen Platz und beim versiegelten Dreispitz im Osten des Bachwiesenareals. Als besonders wertvoll und gelungen bewerteten die Experten im Bachwiesenquartier den renaturierten Dorfbach, die zahlreichen Heckenpflanzen und Bäume entlang des Ufers sowie die artenreichen Wiesen. Der Quartierspielplatz hingegen ist fast völlig der Sonne ausgesetzt. Es fehlen grosse, schattenspendende Bäume.Landschaftsarchitekt Hänni verwies in diesem Zusammenhang auf die darunterliegende Parkgarage. «Parkgaragen liegen oft zu nahe an der Erdoberfläche und verunmöglichen dadurch das Wachstum grosser, gut verwurzelter Bäume. Diese fehlen deshalb in vielen Quartieren als Klimaregulatoren und Schattenspender. Sie bilden den Fussabdruck für die Stadt, das Grundwasser, die Bewohner:innen, die Aufenthaltsqualität und die Biodiversität».
Der Spaziergang endete beim nahegelegenen «Kafi mit Herz». Hier liessen die Teilnehmenden den lauschigen Sommerabend bei einem gemütlichen Apéro ausklingen. Bleibt zu hoffen, dass Stadtvertreter und Private sich die vielen guten Tipps beim nächsten Bauvorhaben oder der nächsten Umgebungsgestaltung zu Herzen nehmen.