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Stadt Gossau
10.11.2025
10.11.2025 22:36 Uhr

Klausur und Workshop: Vom Gestern inspiriert – das Morgen im Blick

Klausur und Workshop der Katholischen Kirchgemeinde Gossau beschäftigten sich mit der Zukunft der Kirche. Bild: zVg / gossau24.ch
Am Freitag und Samstag, 7./8. November 2025, fand die jährliche Klausur der Katholischen Kirchgemeinde Gossau statt. Unter dem Leitgedanken «Vom Gestern inspiriert – das Morgen im Blick» kamen Mitglieder des Kirchenverwaltungsrats, des Pfarreirats, Mitarbeitende und Kirchbürger/-innen zusammen, um über die Zukunft der Kirche in Gossau nachzudenken.

Im Zentrum der Tagung stand die Frage, wie Kirche unter den heutigen gesellschaftlichen und kirchlichen Veränderungen lebendig bleiben kann. Die Kirchgemeinde wird kleiner und älter, die Einnahmen sinken, die Herausforderungen wachsen. Dennoch betonten die Verantwortlichen: Der Wandel ist nicht nur Verlust, sondern auch Einladung, Neues zu denken und Wesentliches zu bewahren.

Wandel als Herausforderung und Chance

Bereits am Freitag trafen sich die Räte und Mitarbeitenden zur internen Klausur. In seinem Impulsreferat sprach P. Andy Givel über das Thema «Was können wir von der Urkirche lernen?». Die ersten Christinnen und Christen standen im Gegenwind, mussten kämpfen, konnten sich aber auf eine tragende Gemeinschaft verlassen. Sie hatten weder Kirchen noch Kathedralen – und doch eine starke innere Überzeugung.

In den anschliessenden synodalen Gesprächsrunden zeigte sich deutlich, was heute trägt und was erneuert werden muss. Entscheidend sei nicht die äussere Form, sondern der Inhalt: das Evangelium, das Orientierung gibt. Viele betonten den Mut, offen zum Glauben zu stehen, Hoffnung zu bewahren und den Glauben wieder einfacher, unmittelbarer zu leben. Ebenso wurde der Blick auf die Gegenwart geschärft – auf das, was oft fehlt: der offene Austausch über den Glauben, das gemeinsame Wissen, ein tiefes Vertrauen in die Auferstehung und das Gefühl selbstverständlicher Zugehörigkeit zur Kirche.

Bild: Symbolbild

Vom Gestern lernen – das Heute gestalten

Am Samstagvormittag wurde der Workshop für alle Interessierten geöffnet. Gut 60 Kirchbürgerinnen und Kirchbürger nahmen teil und setzten das Nachdenken über die Zukunft der Gossauer Kirche fort. KVR-Präsident Stefan Täschler begrüsste die Anwesenden und stellte aktuelle Zahlen vor: Die Mitgliederzahlen sinken kontinuierlich, die Steuereinnahmen sind in den letzten Jahren um rund eine Million Franken zurückgegangen. Trotzdem, so Täschler, verfüge die Kirchgemeinde über Reserven und Gestaltungsräume.

P. Andy Givel griff nochmals den Blick auf die Urkirche auf und machte deutlich, dass Glaube und Gemeinschaft gerade in Zeiten der Einsamkeit neue Bedeutung gewinnen. Fast 40 Prozent der Bevölkerung in der Schweiz fühlen sich laut Statistik zumindest zeitweise einsam – und auch jüngere Menschen sind zunehmend betroffen. Kirche könne hier ein Ort der Begegnung und des Getragen-Seins sein.

In fünf Themenfeldern – Sakramente und Rituale, Gemeinschaft, Mut zum Bekenntnis, Flexible Anlässe und Räumliche Struktur – diskutierten die Teilnehmenden in Gruppen ihre Gedanken und formulierten konkrete Ideen. Dabei wurde spürbar, dass viele die Gemeinschaft als Herzstück kirchlichen Lebens verstehen: Begegnung, Austausch und gegenseitige Unterstützung bleiben entscheidend. Zugleich wurde der Wunsch nach neuen Formen geäussert – etwa nach offenen Treffpunkten, flexiblen Feiern, zeitgemässen Räumen und einer stärkeren Präsenz in der Öffentlichkeit.

Besonders das Thema Gemeinschaft zog sich wie ein roter Faden durch die Diskussionen. Viele wünschten sich, Kirche wieder als Ort der Nähe, des Teilens und der gegenseitigen Aufmerksamkeit zu erleben. Die Notwendigkeit, auf Menschen ausserhalb der eigenen «Kirchen-Bubble» zuzugehen, wurde ebenso betont wie die Offenheit für interkulturelle Begegnungen.

Pauluskirche und Pauluszentrum Gossau.

Ökumene als Chance

Ein konkretes Zeichen für neue Wege wurde gegen Ende des Vormittags: Die serbisch-orthodoxe Gemeinschaft hat angefragt, ob sie die Pauluskirche und das Pauluszentrum künftig für ihre Gottesdienste und Gemeindeveranstaltungen nutzen dürfe. Diese Anfrage stiess auf reges Interesse und löste eine lebhafte, sachliche Diskussion aus. Im Sinne der Ökumene und mit Blick auf die gemeinsame christliche Verantwortung wurde dem Kirchenverwaltungsrat und dem Seelsorgeteam der Auftrag erteilt, das Gespräch mit der serbisch-orthodoxen Kirche und den zuständigen Stellen im Bistum aufzunehmen und die Rahmenbedingungen sorgfältig zu prüfen.

Ein Weg, der weitergeht

Moderator Roger Zosso fasste am Ende des Vormittags die wichtigsten Ergebnisse zusammen: Der Wandel ist spürbar, die Bereitschaft, ihn gemeinsam zu gestalten, ebenso. KVR-Präsident Stefan Täschler dankte allen Teilnehmenden für ihr Engagement und versprach, dass die Kirchgemeinde weiterhin offen informieren und den Austausch fortsetzen werde.

So wurde an diesem Wochenende deutlich, dass die katholische Kirche in Gossau zwar kleiner wird – aber keineswegs kraftlos. Vom Gestern inspiriert, das Morgen im Blick, bleibt sie auf dem Weg: offen, suchend, gemeinschaftlich und getragen von der Hoffnung, dass Gottes Geist auch in veränderter Gestalt weiterwirkt.

P. Andy Givel, Pfarradministrator