An diesem grauen Nachmittag fällt das farbige Wandbild an der Hausfassade an der Gerenstrasse 40a sofort ins Auge. Farbige Baumstämme, ein Waldboden in hellem Rosa, dazwischen kleine Pflanzen. Der Gossauer Kunstmaler und Sozialarbeiter Benno Meier lebt seit 22 Jahren in diesem Haus, das einst von seinem Grossonkel gebaut und später von seinem Vater renoviert wurde. Mit dem Wandbild wollte er selbst eine Spur hinterlassen.
«Ich wollte den Wald nach Hause nehmen»
Darf ich das?
Rund eineinhalb Jahre habe er sich mit dieser Frage beschäftigt, erzählt Benno Meier. Passt das? Darf ich das? Kann ich das? Und: Welches Motiv soll es sein? Auch die Geschichte des Hauses floss immer wieder in seine Überlegungen ein. Irgendwann sei er sich sicher gewesen: «Jetzt bin ich dran.» Sein Vater habe zunächst skeptisch reagiert, die Idee dann aber akzeptiert. Bevor er jedoch die Fassade in Angriff nahm, tastete er sich langsam heran: Er übte im Atelier, bemalte Wände und brachte erste kleinere Arbeiten an der Rückseite des Hauses an.
Zum ersten Mal: Kunst am Bau
Ein Gipser bereitete die Fassade vor: Zuerst wurde ein Gerüst gestellt, dann auf den groben Putz eine glatte Mörtelfläche aufgetragen. Benno Meier nahm zwei Wochen Ferien – und malte. Das Wandbild misst rund zweieinhalb auf drei Meter und entstand mit Dispersionsfarben. Zuvor hatte er die Stadt sowie die Nachbarn informiert. Widerstand habe es keinen gegeben, im Gegenteil: Der Weg sei erstaunlich unkompliziert gewesen. Das Werk am eigenen Haus ist für ihn nun auch seine erste Referenz im Bereich «Kunst am Bau».
«Den Geist frei machen»
Ursprünglich absolvierte Benno Meier eine Lehre als Elektroniker und arbeitete mehrere Jahre in diesem Beruf. Auf der Suche nach einer neuen Perspektive absolvierte er ein Praktikum in einem Behindertenheim. «Das hat mir eine riesige Welt geöffnet», sagt er rückblickend. Es folgte der Einstieg in die Sozialarbeit, später ein Studium. In dieser Phase begann er auch zu malen. An sein erstes Bild erinnert er sich noch genau: ein Sonnenblumenfeld. Das Malen sei für ihn auch ein Weg, den Geist frei zu machen, erzählt er.
Immer wieder im Wald
Im Haus lagert ein umfangreiches Archiv: Porträts, Berglandschaften, Wälder, das Weltall und noch viel mehr. Die Bandbreite ist gross und die Freude an der Arbeit spürbar. Benno Meier malt jedoch nicht nur im Atelier seines Hauses, sondern auch im Garten – und immer wieder im Wald. Zwei Jahre sei er zu jeder Jahreszeit zum Malen in den Wald gegangen. Wenn Schnee lag, machte er ein Feuer. Stilistisch ordnet sich der Kunstmaler dem Neo-Expressionismus zu. Viele Techniken eignete er sich autodidaktisch an, ergänzend besuchte er Kurse an der Kunstgewerbeschule St.Gallen. Mit der Zeit entwickelte er seinen ganz eigenen Stil.
Ein Wunsch für die Zukunft
Das Wandbild an der Gerenstrasse markiert für Benno Meier einen wichtigen Entwicklungsschritt. Zwar kann er auf über ein Dutzend Ausstellungen zurückblicken, doch ein Wandbild zu realisieren, sei für ihn Neuland gewesen. Ein weiteres Werk dieser Art zu gestalten, wäre für ihn ein Traum – vielleicht für eine Privatperson oder an einem öffentlichen Gebäude, etwa an einer Schule.